ARCHÄOLOGISCHES MUSEUM, Rhyton In Form Eines Stierkopfes Saal 04B
Das „Mykenische Rhyton in Form eines Stierkopfes“ ist ein besonders wertvolles archäologisches Fundstück. Es geht auf die Zeit um 1600 v. Chr. zurück und wurde im königlichen Grab eines Kriegerfürsten in Mykene zusammen mit weiteren Grabbeigaben von außergewöhnlichem Reichtum entdeckt. Homer bezeichnete Mykene als „goldene“ Stadt.
Als Rhyton bezeichnet man ein Trinkgefäß, das dadurch gekennzeichnet ist, dass es nicht abgestellt werden kann, da es keinen Fuß hat. Im unteren Bereich gab es eine Öffnung, damit die enthaltene Flüssigkeit vollständig − ohne Unterbrechung − entnommen werden konnte. In der Antike wurden derartige Gefäße oft in Form eines Horns oder Tierkopfes hergestellt.
Wie Sie sich denken können, war dies kein alltägliches Objekt, sondern wurde nur zu besonderen Anlässen genutzt. Tatsächlich hatte es einen rituellen Charakter. Das Objekt vor Ihnen − aus Silber und Gold − gehörte zweifellos einem Vertreter der Oberschicht, verbunden mit den aristokratischen Werten der Jagd und des Krieges. Stellen Sie sich vor, dass das Rhyton, einmal gefüllt, sofort geleert wurde und die entsprechende Person in einen Rauschzustand versetzte.
Die mit Gold überzogenen Hörner, die Rosette auf der Stirn, die Augen und die Schnauze des Stieres verweisen wahrscheinlich auf den mykenischen Brauch, die Hörner der zum Opfer bestimmten Stiere zu schmücken. Der Stierkult, der auf körperliche Stärke anspielt, ist in der griechischen Welt vor 3.500 Jahren umfassend dokumentiert. Im Palast von Knossos, auf der Insel Kreta, gibt es Gemälde mit Athleten, die auf einem riesigen Stier gefährliche Übungen machen, und die Gebäude wurden mit majestätischen Stierhörnern geschmückt.
In diesem Raum möchte ich Sie auch auf die Vaphio-Becher aufmerksam machen. Sie sind aus purem Gold. Sie sehen welche, auf denen das Einfangen wilder Stiere mit beispielloser Meisterschaft dargestellt wird: Während einer in einem Netz gefangen ist, tritt ein anderer einen Jäger und nimmt ihn für einen Augenblick mit ungeheurem Realismus und wilder Gewalt auf die Hörner.
Und noch eine Kuriosität: Wissen Sie, woraus gewöhnliche Trinkgefäße in der Antike vor der Erfindung von Glas und Keramik hergestellt wurden? Man benutzte ausgehöhlte Tierhörner. Das Rhyton in Form eines Stierkopfes geht ebenfalls auf diese antiken Trinkgefäße zurück.