ARCHÄOLOGISCHES MUSEUM, Atlas Farnese – Meridiansaal - Ai Voice
Sprache: Deutsch
Sie befinden sich im Meridiansaal, einem der größten und eindrucksvollsten Räume des Museums. Er verdankt seinen Namen der Meridianlinie, die Ende des 18. Jahrhunderts auf dem Boden eingraviert wurde und mit Hilfe einer kleinen Öffnung in der Gewölbedecke dazu diente, den Sonnenhöchststand zu bestimmen.
Sie stehen nun vor einer der faszinierendsten und meiststudierten Statuen der Antike: dem Farnesischen Atlas.
Diese kolossale Skulptur, etwa 1,85 Meter hoch, zeigt den Titanen Atlas, wie er die Himmelskugel auf seinen Schultern trägt – das Symbol für die Last des Universums, die ihm die Götter als Strafe auferlegten. Das Bild des unter der Last gebeugten Riesen ist von überwältigender Ausdruckskraft: Es ist nicht nur ein Beispiel höchster handwerklicher Meisterschaft, sondern auch ein wahres Manifest der menschlichen Existenz, die kämpft und ausharrt angesichts ihres Schicksals.
Die Statue stammt aus den Caracalla-Thermen in Rom, demselben archäologischen Komplex, aus dem auch weitere Skulpturen dieser Sammlung hervorgegangen sind.
Ein einzigartiges Element des Farnesischen Atlas ist die Himmelskugel, die er auf den Schultern trägt: Sie ist mit über vierzig Sternbildern in Relieftechnik verziert, darunter der Große und der Kleine Bär, der Skorpion und der Krebs. Es handelt sich dabei nicht um ein bloßes dekoratives Element, sondern um eine der ältesten erhaltenen Darstellungen des Sternenhimmels überhaupt.
Wenn Sie die Kugel genauer betrachten, erkennen Sie, dass die Sternbilder in mythologischen Figuren dargestellt sind – ein faszinierendes Zusammenspiel von Wissenschaft und Mythos, das für die griechisch-römische Welt typisch war.
Achten Sie auch auf das Gesicht des Titanen: Trotz seiner gewaltigen Körperkraft sind seine Züge von Erschöpfung gezeichnet, sein Blick ist gesenkt, und sein Körper biegt sich unter der Last. Es ist, als hätte der Künstler nicht nur die heroische Standhaftigkeit, sondern auch die menschliche Zerbrechlichkeit und das Leid eines unmöglichen Auftrags darstellen wollen.
Fachleute gehen davon aus, dass der Farnesische Atlas eine römische Kopie eines griechischen Originals aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. ist, das auf ein hellenistisches Vorbild zurückgeht. Die Skulptur wurde im 16. Jahrhundert wiederentdeckt und gelangte unmittelbar danach in den Besitz der mächtigen Familie Farnese.
Ich verabschiede mich mit folgender Kuriosität von Ihnen: Wussten Sie, dass der Farnesische Atlas von modernen Wissenschaftlern zur Erforschung der antiken Astronomie genutzt wurde? Die Himmelskugel wurde mit digitalen Verfahren analysiert, und einige Forscher vermuten, dass die Darstellung der Sternbilder auf Beobachtungen des großen griechischen Astronomen Hipparchos von Nikaia aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. zurückgeht. Mit anderen Worten: Dieser marmorne Titan könnte die Erinnerung an eine der ersten Sternkarten der Menschheitsgeschichte bewahren.