GALERIEN DER AKADEMIE, La Pietà - Tizian
Sie befinden sich nun vor dem letzten Werk des Patriarchen der venezianischen Malerei: die Pietà von Tizian. Es ist ein tragisches Gemälde, denn enthält sehr viele persönliche und autobiographische Werte. Tizian war schon fast neunzig und hat tatsächlich sich selbst abgebildet und zwar in der Gestalt des alten Nikodemus, dem Jünger Jesu, der nach der Kreuzigung dabei half, seinen Leichnam zu bestatten. Dieses Gemälde war dazu bestimmt, das Grab des Malers in der Kapelle des Crocifisso ai Frari zu dekorieren, aber Tizian konnte es nicht mehr vollenden.
Tizian starb am 27. August 1576 während einer schrecklichen Pestilenz, aber vermutlich nicht an der Pest: Sein Körper wurde nämlich nicht im Massengrab bestattet, sondern in der Basilika der Frari, wo er unter einem einfachen Grabstein begraben wurde, wie Sie vielleicht schon wissen, wenn Sie Gelegenheit hatten, diese Kirche zu besichtigen. Diese Pietà wurde dann von Jacopo Palma, dem Jüngeren vollendet und in der Engels-Kirche aufgehängt und von dort kam es in die Akademie.
Die tragische Szene wird von einem massiven Steinbogen umrahmt, der oben mit goldenen Mosaiken überzogen ist. Das Einrahmen einer Szene mit einem architektonischen Element im Hintergrund war ein altes Hilfsmittel der venezianischen Malerei und auf Ihrem Rundgang durch die Galerie der Akademie werden Sie es auch auf den Bildern von Giovanni Bellini und Carpaccio sehen. Aber hier verbreitet sich nur ein schwaches, unreines Licht, dass die Formen und Farben beinahe zu korrodieren scheint. Die beiden Statuen am Rand des Bildes stellen Moses und die Sibylle dar, sie wirken aber verschwommen wie Gespenster.
Die Gruppe von Personen ist beeindruckend: Magdalena schreit vor Angst, während die Heilige Jungfrau wie versteinert ist. Am zerschlagenen und schlaffen Leib Christi können Sie selbst erkennen, dass Tizian am Ende seines langen Lebens manchmal nicht mehr mit Pinseln malte, sondern die Finger mit Farbe tränkte und mit diesen über die Leinwand strich.
NEBENBEI: Beachten Sie aufmerksam das Bild unten rechts: Angelehnt an den Sockel der Sibylle können Sie neben dem kleinen Wappen der Familie Vecellio eine Votivtafel sehen. Mit genau dieser Votivtafel, die hier originalgetreu abgebildet ist, hatte der Maler wirklich die heilige Jungfrau für sich und seinen Sohn Orazio um die Rettung vor der Pest gebeten, aber leider ist das Gebet unbeantwortet geblieben: Der Sohn starb nur wenige Wochen nach dem Vater.